Sandalen als Werke der angewandten Kunst?
Ich bekenne: auch ich habe immer mal wieder in meinem Leben Schuhe von Birkenstock besessen. Und, ja, getragen, ob als Sandale oder Schlappen. Auch heute fliegen irgendwo im Schuhhaufen unter Treppe noch so Teile rum. Die sind bequem und praktisch. Und wenn man sich umguckt, stellt man fest, dass die Dinger meist nicht geschont, sondern in allen Lebenslagen getragen werden – und dann irgendwie auch genau so aussehen. Auch habe ich festgestellt, dass Birkenstock über die Jahre Anstalten machte, ihre „Gesundheitslatschen“ (so der Volksmund) immer stylischer zu machen über diverse Kooperationen mit bekannten Designern und Luxusmarken, mit Sondereditionen.
Aber ich weiß nicht wie es Euch geht – die Dinger als Kunstwerke zu verstehen, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Genau das wollte Birkenstock aber höchstrichterlich durchsetzen bzw. feststellen lassen. Wobei man so ehrlich sein muss, dass es dabei nicht um die besonders verzierten Sondereditionen ging, sondern um die Grundform der Latschen.
Entscheidung des BGH
Heute also hat der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in drei Revisionsverfahren über den Urheberrechtsschutz von Birkenstock-Sandalen entschieden (BGH, Urteil vom 20. Februar 2025 – I ZR 16/24; I ZR 17/24; I ZR 18/24). Birkenstock – als Klägerin – ist der Auffassung, bei ihren Sandalenmodellen handele es sich um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst. Die Angebote und Produkte der Beklagten verletzten das an ihren Sandalenmodellen bestehende Urheberrecht. Sie hat Firmen, die über das Internet ebenfalls Sandalen anbieten oder solche als Lizenznehmer herstellen, in mehreren Verfahren jeweils auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie Rückruf und Vernichtung der Sandalen in Anspruch genommen.
Diese geltend gemachten Ansprüche sind laut BGH aber unbegründet, weil die Sandalenmodelle der Klägerin keine nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Urhebergesetz (UrhG) urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst sind. Der BGH bestätigt die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts (OLG), welches die Klagen Birkenstocks in der Vorinstanz abgelehnt hatte (anders als das zustimmende Landgericht zuvor): Das OLG ist mit Recht davon ausgegangen, dass Urheberrechtsschutz voraussetzt, dass ein gestalterischer Freiraum besteht und in künstlerischer Weise genutzt worden ist, was hier in Zweifel steht. Ein freies und kreatives (ergo künstlerisches) Schaffen ist wie vorliegend ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen. Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst ist – wie für alle anderen Werkarten auch – eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern, die Individualität erkennen lässt.
Dieser geforderte Grad an Gestaltungshöhe wird nicht erreicht, wobei sich das OLG mit sämtlichen Gestaltungsmerkmalen auseinandergesetzt hat, die nach Auffassung Birkenstocks den Urheberrechtsschutz ihrer Sandalenmodelle begründen. Der bestehende Gestaltungsspielraum ist jedoch gerade nicht in einem Maße künstlerisch ausgeschöpft worden, das den Sandalenmodellen urheberrechtlichen Schutz verleiht. Das rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente ist dem Urheberrechtsschutz aber nicht zugänglich.
Was bleibt?
Sohle, Fußbett, Gurte – fertig ist die Sandale – auch nach meinem Verständnis war der Weg zum Kunstwerk da doch recht weit. Ich weiß nicht wie es Euch geht, aber das Urteil entspricht irgendwie auch eher meinem eingangs angedeuteten, typischen Anwendungsfall, der alles andere glamourös ist, im Gegenteil. Ich will auch eigentlich nur einen Schuh am Fuß haben, kein Kunstwerk. Den Unique Selling Point muss Birkenstock also in gewohnter Manier am Markt über die unbestritten Hohe Bequemlichkeit, Funktionalität und – ja, durchaus – Lässigkeit sichern, nicht durch eine über das Urheberrecht erstrittene Exklusivität.
Link zur Pressemitteilung:
https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/2025038.html